Kunstverleih für Alle
Grafik, Websitegestaltung: schwarze Strichzeichnung. Torso eines menschähnlichen, stilisierten Hunds; hält ein kugelförmiges Geflecht aus ineinanderlaufenden Schläuchen in seinen Händen. Der neutrale Gesichtsausdruck ist mit einem geraden Strichmund angedeutet; abstehende schwarze Schlappohren und eine rundliche, schwarze Nase geben der Zeichnung einen humorvollen, scherzhaften Charakter.

Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst aus München
Foto: Installationsansicht der Ausstellung Inside / Outside im Bildersaal. Ein reduzierter, konzeptueller Raum, der durch minimalistische und architektonisch inspirierte Elemente geprägt ist. Die Installation besteht aus verschiedenen beigen und cremefarbenen Objekten, die sich subtil in die weiße Umgebung einfügen. Eine großflächige, angedeutete Tür mit feinen Linien und präzisen Details erinnert an eine klassische Holztür, bleibt jedoch abstrahiert und nicht funktional. Darunter sowie an der Wand verlaufen rechteckige Paneele, die an Kacheln oder Mauerwerk erinnern und eine strukturierte, aber zurückhaltende Textur erzeugen.
An der Wand hängt ein weiteres, reliefartiges Element, das wie eine stilisierte Schrankfront wirkt, während eine schmale, horizontale Leiste darunter eine leere Ablagefläche andeutet. Auf dem glatten Betonboden liegt eine kleine, flache Skulptur in Form einer Treppe, deren sanfte Abstufungen einen symbolischen oder architektonischen Bezug herstellen.
Die Beleuchtung besteht aus einer Reihe von geometrisch angeordneten, leuchtenden Neonröhren, die an der Decke befestigt sind. Ihr kühles, gleichmäßiges Licht verstärkt die sterile, fast surreale Atmosphäre des Raumes. Die Komposition spielt mit Wahrnehmung und Materialität und fordert die Betrachtenden heraus, über Funktionalität, Raum und Form nachzudenken.
Schwarz-weiß Fotografie im Querformat. Abbildung einer geöffneten Handinnenfläche. Die Finger sind eng zusammen, der Daumen locker zur rechten Seite abgespreizt; der Handrücken spiegelt sich im tiefschwarzen Hintergrund der Fotografie.
— Credits: Valie Export, VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Max Geuter

Valie Export: Shadow I

Künstler*innen
Valie Export
Jahr
1972
Materialien
s/w-Fotografie
Maße
Bildmaße: 30,5 x 39,4 cm
Rahmenmaße
Rahmenmaße: 36 x 45 cm

Beschreibung

VALIE EXPORT – semper et ubique

Die Künstlerin VALIE EXPORT präsentiert uns mit „Shadow I“ ein vermeintlich unscheinbares Motiv. Die schwarz-weiß Fotografie zeigt eine geöffnete, zu den Betrachter*innen gewandte Hand. Ist sie zum Gruß ausgestreckt, oder holt hier womöglich doch jemand zum Schlag aus?

Die Spiegelung der fragmentierten Extremität im Bildmittelgrund offenbart eine Rundumsicht und konterkariert gleichermaßen die medial bedingte Zweidimensionalität. Das ‚Bild-im-Bild‘ erzeugt eine Tiefenwirkung und offenbart die durchdachte Komposition des Werks.

VALIE EXPORT wird 1940 als Waltraud Lehner im oberösterreichischen Linz geboren. Ab Ende der 1960er-Jahre avanciert sie zu einer Ikone der feministischen Aktionskunst, deren Strahlkraft bis in die Gegenwart fortwirkt. Diesem Umstand wurde jüngst mit einer
umfassenden Retrospektive im C/O Berlin Rechnung getragen. Werke wie das „Tapp und Tastkino“ (1968-1970), „Aus der Mappe der Hundigkeit“ (1968), „Genitalpanik“ (1969) oder „Body Sign A“ (1970) nehmen eine Vorreiterstellung in der Aktions- und Medienkunst ein.

Die Fotografie ist dabei integraler Bestandteil der öffentlich und halböffentlich durchgeführten Interventionen, wodurch dem Medium eine gesonderte Rolle zukommt. So werden die Aktionen aufgezeichnet und fixiert, gleichzeitig inszeniert und fließen wiederum als eigenständige Werke in das kollektive Bildgedächtnis ein.

„Shadow I“ rekurriert nicht explizit auf eine vorangegangene künstlerische Aktion, ist jedoch mit „Shadow“ (1971) und „Shadow II“ (1972) als Teil einer eigenständigen Werkreihe und eines damit einhergehenden Referenzsystems angelegt. Auch innerhalb dieses Zyklus lassen sich die Charakteristika EXPORTs in verdichteter Form nachvollziehen. Bereits 1960 zieht die Zwanzigjährige nach Wien mit der Absicht, dort Textildesign zu studieren. Die österreichische Hauptstadt ist zu diesem Zeitpunkt ein veritabler künstlerischer Knotenpunkt. Die Akteure*innen, die später unter dem Schlagwort des Wiener Aktionismus zusammengefasst werden, agieren zu einem großen Teil außerinstitutionell, unangepasst und teilweise mit einer bis dato nicht dagewesen künstlerischen Radikalität die nun endgültig mit den als konservativ begriffenen Nachkriegsjahrzehnten zu brechen versuchte.

EXPORTS Schaffen folgt selbstverständlich nicht als eine notwendige Folge dieser ideellen und künstlerischen Kumulation, vielmehr ist die Künstlerin aktiv an den Ausprägungen beteiligt, unterläuft vorherrschende Gegebenheiten und transformiert diese. Verbindendes Element ist unter anderem die Akzentuierung des menschlichen Körpers in der künstlerischen Praxis, der in den Reihen der Avantgarde-Kunstszene zum bildnerischen Mittel gar zum ‚Material‘ wurde. VALIE EXPORT verkörpert in diesem Sinne exemplarisch eine öffentlich agierende, selbstbewusste Frau, die ihren Leib als aktionistisches Gestaltungsmittel nutzt, um einer männlich dominierten Öffentlichkeit dieser Zeit entgegenzutreten, auch bzw. gerade mit dem Ziel gesellschaftlicher Veränderung. Besonders in „Shadow I“ scheint der Körper – in diesem Fall die Hand – als semiotisches Beziehungsgeflecht zwischen Zeichenträger, Repräsentation, Betrachter*innen und medialen Implikationen zu oszillieren, hier jedoch gewissermaßen ex negativo.

Gerade durch die Fragmentierung und der Abwesenheit des Körpers innerhalb der Bildfläche scheint sich die Künstlerin einer Objektivierung ihres Körpers durch die Betrachter*innen zu entziehen. Der Schatten als implizites Abbild verweist jedoch auf die Anwesenheit eines Subjekts. VALIE EXPORT – immer und überall.

TEXT: Adrian Kunder, 2025.