Kunstverleih für Alle
Grafik, Websitegestaltung: schwarze Strichzeichnung. Torso eines menschähnlichen, stilisierten Hunds; hält ein kugelförmiges Geflecht aus ineinanderlaufenden Schläuchen in seinen Händen. Der neutrale Gesichtsausdruck ist mit einem geraden Strichmund angedeutet; abstehende schwarze Schlappohren und eine rundliche, schwarze Nase geben der Zeichnung einen humorvollen, scherzhaften Charakter.

Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst aus München
Foto: Ansicht der Ausstellung
Druckgraphik im Hochformat: Abstraktes Motiv; Auf einem königsblauen Rechteck liegt ein elliptischer Kreis mit Farbverlauf von schwarz nach hellblau. Der Kreis scheint seitlich über das Rechteck hinauszutreten. Oberhalb des blauen Rechtecks befindet sich ein schmales, zitronengelbes Rechteck.
— Credits: Rupprecht Geiger, VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Max Geuter

Rupprecht Geiger: o. T.

Künstler*innen
Rupprecht Geiger
Jahr
1982
Materialien
Siebdruck
Maße
Bildmaße: 84 x 59 cm
Rahmenmaße
Rahmenmaße: 100,5 x 71 cm

Beschreibung

Edition, 47/50

Rupprecht Geiger – Leuchtende Abstraktion

In typischer Manier des Künstlers Rupprecht Geiger zeigt die Serigrafie einen elliptischen Kreis auf dunkelblauen Grund. Mit körnigen Farbverlauf von Schwarz, hin zu einem helleren Blauton, scheint die plan an den seitlichen Rändern anliegende, geometrische Form fast aus dem Bildraum heraus zu treten. Neben dem Queroval haben Rechteck, Quadrat und Kreisform als Grundelemente Einzug in das Oeuvre des Münchner Künstlers gehalten. Die feinen, farblichen Übergänge erzeugt Geiger ab 1965 oftmals mit Hilfe einer Farbspritzpistole. Auch die monochromen, intensiv leuchtenden Farben sind Teil seiner künstlerischen Handschrift. In dieser Form begegnen sie den Münchner*innen tatsächlich auch außerhalb von Leinwand- und Papierarbeiten, etwa im U-Bahnhof Machtelfinger Straße oder als das „Gerundete Blau“ vor dem neuen Gasteig.

Die Druckgraphik aus der Sammlung der Münchner Artothek schuf Geiger mit einer Auflage von 50 Exemplaren anlässlich der Ausstellung „Rupprecht Geiger. Ölbilder und Graphiken von 1950 bis 1980“, welche 1982 im Fritz-Winter-Haus in Ahlen gezeigt wurde. Dabei scheint sich das Motiv besonderer Beliebtheit erfreut zu haben. So zierte es das zugehörige Ausstellungsplakat und wurde 2006 im Rahmen der Schau „Rupprecht Geiger. Graphiken und Objekte“ im 480 km entfernten Fritz Winter Atelier in Dießen am Ammersee erneut als visuelles Aushängeschild aufgegriffen. Anders als die Plakate, die Geiger 1964 für die Konzertreihe musica viva angefertigt hatte, entgingen die beiden Ausstellungsplakate vermutlich einer seinerzeit gültigen Münchner Vorschrift: so mussten etwa die grellen, unverwechselbaren Leuchtfarben abgemildert werden, die der Künstler bei der Gestaltung der Poster verwendet hatte.

1908 kommt Rupprecht Geiger als Sohn des Malers und Grafikers Willi Geiger zur Welt. Durch diese familiäre Prägung kann er sich bereits in seiner Kindheit künstlerische Fähigkeiten und erstes kunsthistorisches Wissen aneignen. Während der Vater an der Akademie der Bildenden Künste unter anderem als Meisterschüler von Franz von Stuck Malerei studiert und sich bereits in den 1920er-Jahren als bekannter Maler verdient gemacht hatte, entscheidet sich Rupprecht Geiger ab 1926 für ein Architekturstudium an der Kunstgewerbeschule in München. Dieses vertieft er nach seinem Abschluss 1929 mit einer Ausbildung an der Staatsbauschule München, bevor er von 1936 bis 1940 im Architekturbüro von Oswald Eduard Bieber tätig ist. Im Jahr 1937 heiratet er dessen Tochter. 1940 wird Rupprecht Geiger zum Kriegsdienst eingezogen und an die Ostfront beordert. Dort beginnt er kleine Skizzen und Landschaftsaquarelle anzufertigen. Auf dieser Grundlage kann der bereits kurz nach der Machtergreifung als ‚entartet‘ verfemte Willi Geiger den Einsatz seines Sohnes als Kriegsmaler erwirken, wodurch Rupprecht Geiger in die Ukraine und später nach Griechenland versetzt wird. Es sind vermutlich die an der Ostfront entstandenen Arbeiten, die 1942 zusammen mit Werken des Vaters in der sogenannten „Münchener Kunstausstellung“ in den Galerieräumen des Maximilianeums gezeigt wurden.[1] Zudem waren im selben Jahr auch Aquarelle in der Herbstschau des Hamburger Kunstsalons Benedix vertreten.[2]

Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und einer imaginierten Stunde Null sah man sich mit einem sozio-kulturellen Neuanfang konfrontiert. Im Falle der, während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zum Erliegen gekommenen Moderne, sollte die Abstraktion diese klaffende Leerstelle füllen. Am 19. Juli 1949 gründete sich im Umkreis der avantgardistischen Galerie Stangl die „Gruppe der Gegenstandslosen“. Anfang des Jahres 1950 nannte man sich in ZEN 49 um. Neben Rupprecht Geiger zählten Willi Baumeister, Rolf Cavael, Gerhard Fietz, Willi Hempel, Brigitte Meier-Denninghoff und Fritz Winter zu den Gründungsmitgliedern. Erklärtes Ziel der Gruppe war es, den kulturellen Wiederaufbau voranzutreiben, eine neue Kunst zu etablieren und an die künstlerischen Stränge der Moderne vor 1933 anzuknüpfen. Der ideelle Rückgriff auf die Künstlergruppe „Blauer Reiter“ kann auch als bewusste Fortführung einer dezidierten Münchner Tradition verstanden werden, hatte Geiger in einem Manifest Entwurf doch bewusst für den Zusammenschluss süddeutscher, abstrakter Maler*innen plädiert. Folgerichtig erscheint demnach auch eine umfassende künstlerisch-konzeptionelle Abkehr vom Gegenständlichen zugunsten einer Fokussierung auf Farb- und Formgebung, wie sie sich beispielhaft auch in der hier vorliegenden Arbeit widerspiegelt.

Spätestens mit seiner Berufung an die Düsseldorfer Kunstakademie 1965 eröffnet sich das künstlerische Schaffen Rupprecht Geigers einem breiteren Publikum. Gleichzeitig offenbarte sich die Anschlussfähigkeit des Münchner Künstlers, dessen Werk sich als gleichrangig und gleichermaßen eigenständig im internationalen Kontext behauptete.

Das Archiv Geiger im München-Solln betreut den Nachlass von Willi und Rupprecht Geiger und bietet eine ausgezeichnete Alternative, sollte unser Kunstwerk in der Artothek München gerade verliehen sein. In den ehemaligen Atelierräumen, die Geiger bis zu seinem Ableben im Dezember 2009 nutzte, sind neben den original belassenen Räumlichkeiten viele weitere Werke des Künstlers zu bestaunen.

[1] Vgl. Ludwig Schanz, „Kleine Kunstchronik“, Hamburger Fremdenblatt: Auslandsausgabe Jg. 114, Nr. 132 (1942): S. 2, abgerufen am 30. Nov. 2025.
[2] Maximilian Rohe, „Der kleine Kulturspiegel“, Hamburger Fremdenblatt: Abendausgabe Jg. 114, Nr. 290 (1942), S. 2, abgerufen am 30. Nov. 2025.

TEXT: Adrian Kunder, 2025.