Kunstverleih für Alle
Grafik, Websitegestaltung: schwarze Strichzeichnung. Torso eines menschähnlichen, stilisierten Hunds; hält ein kugelförmiges Geflecht aus ineinanderlaufenden Schläuchen in seinen Händen. Der neutrale Gesichtsausdruck ist mit einem geraden Strichmund angedeutet; abstehende schwarze Schlappohren und eine rundliche, schwarze Nase geben der Zeichnung einen humorvollen, scherzhaften Charakter.

Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst aus München
Foto: Installationsansicht der Ausstellung Inside / Outside im Bildersaal. Ein reduzierter, konzeptueller Raum, der durch minimalistische und architektonisch inspirierte Elemente geprägt ist. Die Installation besteht aus verschiedenen beigen und cremefarbenen Objekten, die sich subtil in die weiße Umgebung einfügen. Eine großflächige, angedeutete Tür mit feinen Linien und präzisen Details erinnert an eine klassische Holztür, bleibt jedoch abstrahiert und nicht funktional. Darunter sowie an der Wand verlaufen rechteckige Paneele, die an Kacheln oder Mauerwerk erinnern und eine strukturierte, aber zurückhaltende Textur erzeugen.
An der Wand hängt ein weiteres, reliefartiges Element, das wie eine stilisierte Schrankfront wirkt, während eine schmale, horizontale Leiste darunter eine leere Ablagefläche andeutet. Auf dem glatten Betonboden liegt eine kleine, flache Skulptur in Form einer Treppe, deren sanfte Abstufungen einen symbolischen oder architektonischen Bezug herstellen.
Die Beleuchtung besteht aus einer Reihe von geometrisch angeordneten, leuchtenden Neonröhren, die an der Decke befestigt sind. Ihr kühles, gleichmäßiges Licht verstärkt die sterile, fast surreale Atmosphäre des Raumes. Die Komposition spielt mit Wahrnehmung und Materialität und fordert die Betrachtenden heraus, über Funktionalität, Raum und Form nachzudenken.
Druckgrafik im Querformat: Abstraktes Motiv; Aus einem schwarzen Hintergrund tritt ein abstraktes, aber achsensymmetrisches Motiv in verschiedenen dunklen Blau- und Grautönen hervor. Der Gesamteindruck erinnert an das Aussehen eines Rorschach-Test.
— Credits: Jasper Johns, VG Bild-Kunst, Bonn 2025, Foto: Max Geuter

Jasper Johns: After Holbein

Künstler*innen
Jasper Johns
Jahr
1993
Materialien
Farblithografie
Maße
Bildmaße: 56 x 76 cm
Rahmenmaße
Rahmenmaße: 63 x 82,5 cm

Beschreibung

Edition, 82/150

Jasper Johns und die „American Print Renaissance“

Wer bei diesem „Rorschachtest“ genauer hinsieht, entdeckt womöglich überrascht einen Alten Meister im Bestand unserer Artothek. Wie sich bereits im Titel andeutet, lässt sich in den hellblauen und grauen Verwischungen schemenhaft das achsengespiegelte Bruststück von Heinrich VIII ausmachen, welches Hans Holbein der Jüngere 1537 im Auftrag des Königs geschaffen hatte.

Der Künstler Jasper Johns wird 1930 im Bundesstaat Georgia geboren und gilt heute als einer der wirkungsreichsten Akteur*innen der US-amerikanischen Pop-Art und Gegenwartskunst. Die Grafik als künstlerisches Medium nimmt ab den 1960er Jahren einen festen Bestandteil im Schaffen des Künstlers ein. Zu seinen bekanntesten Sujets zählen seine Darstellungen der amerikanischen Flagge, sowie seine „Targets“. Obgleich Jasper Johns das vermeintlich nach Holbein gearbeitete Werk erst 1993 fertigstellte, lassen sich anhand der Lithografie nichtsdestotrotz die künstlerischen Entwicklungen der euro-amerikanischen Gegenwartskunst ab den 1950er-Jahren wunderbar ablesen und nachskizzieren.

Im Zuge des Zweiten Weltkriegs emigrierte eine Vielzahl von europäischen Künstler*innen in die USA. Infolgedessen lancierte New York zu einem kulturellen Schmelztiegel, geprägt von ideellem und künstlerischem Austausch zwischen den Neuankömmlingen und ansässigen Kunstschaffenden. Die US-amerikanische Künstlerschaft sah sich mit der Aufgabe konfrontiert einen eignen künstlerischen Ausdruck zu finden, auch um sich von den bereits etablierten europäischen Positionen zu emanzipieren. Eine Antwort stellte der Abstrakte Expressionismus ab den 1950er Jahren mit Vertretern wie Jackson Pollock, Mark Rothko oder Robert Motherwell dar. Johns‘ „After Holbein“ wirkt fast wie eine Retrospektive, lassen sich an diesem Werk doch zentrale kunsttheoretische Aspekte und Fragestellungen der Zeit beispielhaft nachvollziehen. So nimmt das Werk nicht zufällig Bezug auf Hans Holbein. Sowohl technisch, in Form der Lithografie als auch thematisch stellt Johns einen Bezug zu den „Peintres Graveurs“ wie Albrecht Dürer, Rembrandt Van Rijn oder auch Francisco de Goya her. Das eigene Werk wird damit in eine kunsthistorische Tradition eingereiht bei einer gleichzeitigen Aufwertung des künstlerischen Schaffens und nimmt damit auch ganz besonders eine Position zwischen Abgrenzung, Weiterentwicklung und künstlerischer Tradition ein. Zudem greift der unmittelbare, thematische Bezug auf ein Subjekt, auch den Vorwurf zeitgenössischer Kritiker*innen auf, entzieht ihm aber sofort jegliche Grundlage: den abstrakten Werken der 1950er-Jahre würde ein Bildgegenstand, ein Thema und damit gar eine tiefere Bedeutungsebene fehlen.

Der wachsende Stellenwert graphischer Techniken mit ihren materialspezifischen Bedingungen und Möglichkeiten der industriellen und relativ kostengünstigen Vervielfältigung läuteten einen Paradigmenwechsel in der bildenden Kunst ein. Jasper Johns kann als einer der Wegbereiter*innen bzw. Vertreter*innen zwischen dem Übergang vom Abstrakten Expressionismus hin zur Pop-Art der 1960er-Jahre begriffen werden. Damit wird „After Holbein“ ein kunstgeschichtliches Lehrstück und Zeitdokument von internationalem Rang.

TEXT: Adrian Kunder, 2025.