Kunstverleih fĂĽr Alle
Grafik, Websitegestaltung: schwarze Strichzeichnung. Torso eines menschähnlichen, stilisierten Hunds; hält ein kugelförmiges Geflecht aus ineinanderlaufenden Schläuchen in seinen Händen. Der neutrale Gesichtsausdruck ist mit einem geraden Strichmund angedeutet; abstehende schwarze Schlappohren und eine rundliche, schwarze Nase geben der Zeichnung einen humorvollen, scherzhaften Charakter.

Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst aus München
Foto: Installationsansicht der Ausstellung „blended spheres“ von Julia Klemm im Bildersaal. In einem hellen, minimalistischen Ausstellungsraum stehen mehrere skulpturale Objekte aus Keramik auf dem Boden verteilt. Die Skulpturen variieren in Form und Größe und bestehen aus abstrakten, organischen Formen in verschiedenen Erdtönen wie Beige, Rosa und Grau mit vereinzelten, bunten Akzenten. Die Objekte wirken roh und archaisch, einige von ihnen ruhen auf zylindrischen Sockeln, die wie grob behauene Stützen aussehen. Die Beleuchtung ist schlicht und dezent, wodurch die Skulpturen im Raum hervorgehoben werden.

Konzept & Geschichte der Artothek

Was ist eine Artothek?

Reinkommen, stöbern, und etwas, was einem gefällt, direkt ausleihen – Artotheken (lat. „ars“ [dt. Kunst] und gr. „theke“ [dt. Ort]) funktionieren nach demselben Konzept wie StadtbĂĽchereien. Der einzige Unterschied: in Artotheken können Sie anstatt aus BĂĽchern aus oftmals vielen hunderten Originalkunstwerken unterschiedlichster Medien und Stilrichtungen auf einmal auswählen – und diese dann fĂĽr bis zu mehreren Monaten oder gar ein Jahr bei sich zuhause oder im BĂĽro, in einer vertrauten Umgebung zu haben und sich im eigenen Tempo intensiver mit ihnen auseinanderzusetzen.

Das Beste: es kostet Sie meist nur wenige Euro pro Monat. Sie können ausprobieren, experimentieren, herausfinden, welche Art von Kunst etwas in Ihnen persönlich hervorruft; die Freude am Neuen zelebrieren.

All das entspricht dem sozial und demokratisch ausgerichteten Hauptanliegen von Artotheken: ein Leben mit zeitgenössischer Kunst für möglichst viele Menschen Wirklichkeit werden zu lassen – unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten oder bereits vorhandenem Fachwissen.

Artotheken haben eine starke Anbindung an die lokale Kunstszene und nehmen als lebendiger Begegnungsort die Funktion eines Bindeglieds zwischen Ihnen und den Kunstschaffenden ein. Sie fördern Künstler*innen durch den Ankauf ihrer Arbeiten für die jeweiligen Artothekssammlungen.

Artotheksmitarbeiter*innen haben stets einen Ausbildungshintergrund im Bereich Kunstgeschichte oder Bildender Kunst. Sie vermitteln Ihnen vor Ort Fachwissen zu Künstler*innen und beraten Sie bei der Werkauswahl. Oft können Sie vor Ort auch direkt auf Ausstellungskataloge und Fachliteratur zugreifen.

Foto: Zwei Personen betrachten gerahmte Kunstwerke im Sammlungsraum der Artothek. Der Mann links im Bild ist von der Seite zu sehen und blinkt nach Links unten. Er hält ein Bild mit schwarzen Flächen und weißen Linienmustern in den Händen und studiert es aufmerksam. Rechts neben ihm, etwas weiter die Bilderreihe nach hinten versetzt, steht eine Frau. sie ist der Kamera mit dem Rücken zugewandt, trägt ein helles, floral gemustertes Kleid und einen schwarzen Rucksack. Sie sieht sich ebenfalls Kunstwerke an. Im Hintergrund hängen mehrere Gemälde an der Wand, darunter ein großes, blaues Hochformat eines liegenden Menschen. Die Szene vermittelt eine ruhige und konzentrierte Atmosphäre.
— Credits: Foto: Christoph Grothgar

Wie sind Artotheken entstanden?

Artotheken gibt es in ganz Deutschland, Europa, und darüber hinaus. Hierzulande existieren sogar inzwischen mehr als 140 Kunstleihstellen verschiedener Organisationsstrukturen als Teil des Deutschen Artothekenverbandes e. V., und das in Großstädten genauso wie in kleineren Gemeinden.

Erste Formen der Kunstleihe durch öffentliche Institutionen wie Museen und Bibliotheken, aber auch kommerziell angelegte Ausleihmodelle, existierten bereits Ende des 19. Jahrhunderts in den USA. Kurze Zeit später, vermehrt vor dem Ersten Weltkrieg und in der Zeit der Weimarer Republik, setzten sich Verleihmodelle auch in Europa und Deutschland durch. In diesen gesellschaftlich, politisch und insbesondere auch wirtschaftlich angespannten Zeiten, war es eine gute Methode für Kunstschaffende, eigene Arbeiten nicht nur zu verkaufen, sondern auch direkt aus dem Atelier an Interessent*innen gegen eine Gebühr zu verleihen.

Unter der nationalsozialistischen Diktatur der 1930er- und 1940er Jahre und dem Zweiten Weltkrieg kam der Kunstverleih zu einem abrupten Stopp. Moderne Kunst wurde diffamiert, als „entartet“ gebrandmarkt, verbrannt; avantgardistische KĂĽnstler*innen wurden verfemt, erhielten Berufsverbot, gingen in innere Emigration oder ins tatsächliche Exil im Ausland.

Erst in den 1950er-Jahren gab es Bestrebungen, Kunst wieder einem größeren Publikum zugänglich zu machen und in diesem Zuge den guten Ruf zeitgenössischer Kunst wiederherzustellen. Insbesondere in Dänemark und den Niederlanden setzten man sich zu Beginn des Jahrzehnts für die der Artotheken ein. Eine wegweisende Institution in Deutschland war die sogenannte Bildleihstelle der Gesellschaft der Freunde junger Kunst in München, ins Leben gerufen vom Künstler, Kunsthistoriker und -kritiker Franz Roh (1890-1965).

Ende der 1960er-Jahre gründete Horst Dietze, Bezirksstadtrat in Berlin Reinickendorf, die Graphothek und Artothek Berlin, deren Konzept analog zu dem öffentlicher Bibliotheken, also dem Verleih von Kunstwerken anstelle von Büchern, angelegt war.

Foto: Blick durch ein Außenfenster der Artothek: Nachansicht eines Vorhangs im Inneren. Bunte Stoffbahnen mit großen geometrischen Farbflächen hängen nebeneinander und formen ein abstraktes Muster. Die Farben umfassen Blau, Weiß, Rot, Lila, Gelb und Orange. Auf den Stoffbahnen ist in weißer Schrift teilweise das Wort
— Credits: Foto: Christoph Grothgar

Wie kam es zur Artothek in MĂĽnchen?

Die Berliner Graphothek und Artothek war ein wichtiges Vorbild für die Gründung neuer Artotheken in Deutschland, darunter die städtische Artothek Köln (1973) und unsere Artothek in München (1986). Im Grunde ist unsere Institution, die heute die Funktion einer bürgernahen Dienstleistung einnimmt, aber auch die Fortführung der Münchner Bildleihstelle von Franz Roh aus den 1950er- und 1960er-Jahren.

Bereits 1980 gab Alfred Lottmann, ein Stadtrat der SPD-Fraktion, den Anstoß zur Gründung einer städtischen Artothek. Da man jedoch unter anderem keinen geeigneten Präsentationsort finden konnte, wurde die Idee bis 1984 noch einmal verworfen. In diesem Jahr schlug der CSU-Stadtrat Franz Forchheimer ein Artothek-Pilotprojekt in der Innenstadt, geleitet vom Kulturreferat München, vor und setzte sich damit durch. Und so konnte unsere Artothek Ende 1986 ihren Betrieb aufnehmen.

Ziel war, einen nicht-kommerziellen Kunstraum zu schaffen, der Ausstellungsprogramm und Kunstverleih, Kunstvermittlung und Kunstförderung durch Veranstaltungen und Sammlungsankauf miteinander verband. Diese Synergie macht unsere Artothek München auch heute noch – inzwischen mit einer Sammlung von knapp 2.000 Kunstwerken – zu einer einflussreichen Institution und Plattform in der lokalen Kunstszene und auf dem Gebiet der Artotheken in Deutschland.

Foto: Nahansicht eines Hundes im Sammlungsraum der Artothek. Ein lockiger, grau-brauner Hund steht auf einem Holzboden und schaut über die Schulter direkt in die Kamera. Im Hintergrund sind gerahmte Kunstwerke zu sehen, die dicht aneinander gelehnt auf einer niedrigen Regalfläche stehen. Der Hund trägt ein Halsband mit Leine und wirkt aufmerksam und neugierig.
— Credits: Foto: Christoph Grothgar